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14.04.2022 - Wuttke Feuilleton

Orientierung ist alles! – Was das Funkfeuer für Flugkapitäne ist, sind trigonometrische Punkte für Geodäten.

Als ich bei einer Wanderung in der hinteren sächsischen Schweiz an einem interessanten technischen Bauwerk vorbeikam, zog ich Parallelen zu meinem Beruf als Vermessungsingenieur. Was in der Vormittagssonne von weitem wie ein gerade gelandetes UFO aussah, war bei näherer Betrachtung und bei Lesen der Hinweistafel ein Funkfeuer, genauer gesagt ein gerichtetes Drehfunkfeuer (VOR), welches der Flugnavigation dient.

Der Pilot erhält vom Funkfeuer eine Kursinformation, die ihm beim Orientieren hilft. Sie beruht darauf, dass die Phasenverschiebung zwischen einem in alle Richtungen abgestrahlten Signal und dem auf einer sogenannten Funkstandlinie empfangenen gerichteten Signal ausgewertet wird. Fliegt das Luftfahrzeug z. B. mit Westkurs (270°) auf das VOR zu („inbound“) oder mit Ostkurs (090°) von diesem weg („outbound“), so beträgt die Phasendifferenz zwischen dem gerichteten und dem ungerichteten Signal 90°. Bei Anflug auf das Funkfeuer mit Ostkurs (inbound, 090°) bzw. Abflug von diesem mit Westkurs (outbound, 270°) beträgt die Phasendifferenz 270°.

Zum besseren Verständnis folgendes Denkmodell: Ein Leuchtturm strahlt alle sechs Minuten ein kurzes Lichtsignal gleichmäßig in alle Richtungen ab. Gleichzeitig startet jeweils ein horizontal umlaufender, eng gebündelter Lichtstrahl, der für einen vollen Umlauf = 360 Grad genau 6 Minuten = 360 Sekunden benötigt, d. h. ein Grad pro Sekunde. Ein Schiffsführer, der 135 Sekunden nach dem Aufblitzen des Lichtes an der Leuchtturmspitze den Peilstrahl sieht, weiß, dass er sich auf der Kurslinie 135° befindet (Quelle Wikipedia).

Eine VOR/DME-Station verfügt zusätzlich noch über ein Entfernungsmessgerät (DME). Es hilft dem Flugzeugpiloten beim Fliegen und Orientieren.

Sie sind nach wie vor bei der Instrumentennavigation gesetzlich vorgeschriebene primäre Sensoren. Allerdings wird dieses Verfahren mehr und mehr von den Satellitenmessverfahren (GNSS) verdrängt.

Genauso ist es im Vermessungswesen. Der geodätische Raumbezug ist für den Vermesser von elementarer Bedeutung.

Ein großes Netz von geodätischen Raumbezugspunkten hilft bei der täglichen Arbeit. Mit ihm können aufgemessene Objekte in Karten dargestellt und in Bezug zueinander gebracht werden.

Der Raumbezug dient der Orientierung zum Abstecken von zu bauenden Straßen, Gleisen oder Gebäuden.

Trigonometrische Punkte, Aufnahmepunkte, Höhenfestpunkte oder Baulagenetzpunkte verlieren aber auch an Bedeutung, da die Satellitenmesstechnik den sofortigen globalen Raumbezug auf „Knopfdruck“ liefert.

Das Netz von Aufnahmepunkten für Katastervermessungen in Sachsen wird aus diesem Grunde nicht mehr fortgeführt.

Traditionelle Festpunkte dienen daher meist nur noch als Kontrollpunkte. Sie behalten ihre Bedeutung dort, wo die Positionierung über Satelliten nicht funktioniert oder höhere Genauigkeiten benötigt werden.

 

Die Bereitstellung des Raumbezugs durch Festpunkte und das Anbieten von Diensten, liegt in Deutschland in den Händen der Vermessungsverwaltungen der Länder.

Nutzen Sie den angefügten Link, um sich über die Festpunkte der Grundlagenvermessung in Sachsen zu informieren.

https://www.landesvermessung.sachsen.de/festpunkte-der-grundlagenvermessung-3990.html

Wenn Sie einmal zum Funkfeuer in Hinterhermsdorf wandern wollen, sind Informationen des dortigen Heimatvereins interessant und lesenswert.

https://www.heimatverein-hinterhermsdorf.de/historisches-funkfeuer.html

 

Detlef Wuttke, 14.04.2022